Westdeutsche Allgemeine Zeitung: BKK Hoesch will Pharma-Kartell durchbrechen

Das Preiskartell der mächtigen Pharma-Industrie durchbrechen will die BKK Hoesch. Gleichzeitig legt sich die Krankenkasse mit Ärzten an, die Vorteile genießen, wenn sie teure künstliche Ernährung für Schwerstkranke verschreiben. Die Bandbreite der Preisspanne bei künstlicher Nahrung für Krebs-Patienten ist gewaltig. Und der Markt wächst, weil immer mehr Menschen in der letzten Phase ihres Lebens zu Hause versorgt werden müssen. „Die Kosten betragen alleine für die Arzneimittel durchschnittlich 180 Euro pro Tag“, berichtet BKK-Vorstand Uwe Gehrig. Dabei schwanken die Preise von 80 Euro bis 600 Euro – für vergleichbare Produkte.

Undurchsichtiger Produktdschungel

In einem undurchsichtigen Produkt- und Hersteller-Dschungel könne es dem Arzt nicht bekannt sein, welches Präparat das günstigste sei, so Gehrig. Tatsächlich würden zumeist die teuersten Hersteller verschrieben. Das will die BKK Hoesch nicht länger hinnehmen und hat den Dortmunder Software-Anbieter

„Carenoble“ ins Boot geholt.

„Wir haben alle unsere Leistungsfälle aus dem Jahr 2007 und 2008 mit Hilfe der Software überprüfen lassen und ein Einsparpotenzial von 35 bis 50 Prozent festgestellt,“ so Gehrig. Allein die BKK könnte so bis zu 350 000 Euro im Jahr sparen. Bundesweit errechnet Carenoble-Geschäftsführer, Dietmar Meier, ein Sparvolumen von über 80 Millionen Euro – nur bei der Produktgruppe der künstlichen Ernährung.

Inustrie hat Mediziner auf ihrer Seite

Die BKK hat die Dortmunder Ärzte angeschrieben und sie aufgefordert, günstige Mittel zu verschreiben. Die Mediziner sollen Wirkstoffe verschreiben, keine bestimmten Produkte. Der Erfolg war frappant. „Zwei Tage später hatten wir zwei Vertreter eines Pharma-Marktführers im Haus, der mit uns Rabattverträge aushandeln wollte“, berichtet Gehrig. Doch die BKK will mehr. Sie will Transparenz ins Verfahren bringen, und das scheue die Industrie, die die Ärzte schon auf ihre Seite gezogen habe.

So seien Absagen mit gleichlautenden Begründungen eingegangen, die offensichtlich von der aufgeschreckten Pharmabranche vorformuliert würden. Was den BKK-Vorstand nicht weiter wundert, weil die Ärzteschaft durch die Pharmabranche „begünstigt wird und nicht auf ihre Pfründe verzichten“ wolle. Fortbildungen in Gourmettempeln und Events seien nicht unbekannt.

„Keiner hat den Mut, das zu zügeln.“

Gehrig bedauert: „Keiner hat den Mut, das zu zügeln.“ Der Arzt entscheide es zwar, zahle die Präparate aber nicht. Im Übrigen würden heute 70 bis 80 Prozent der Schwerstkranken „fehlernährt“, was durch das neue Verfahren optimiert werden könne.

Die BKK Hoesch will nicht locker lassen und setzt in diesem Jahr die Daumenschrauben an. „Ein Arzt kann über Regressverfahren wirtschaftlich zur Rechenschaft gezogen werden bei zu teurer Verordnung“, berichtet Gehrig und kündigt an: „Wir werden regressieren!“ Die künstliche Ernährung sei erst der Anfang. Transparenz in den undurchsichtigen deutschen Pharma-Markt zu bringen, sei ein Milliarden-Geschäft.

 

Quelle: waz.de

Westdeutsche Allgemeine Zeitung / Gerald Nill